Persönliche Angsträume
Für mich sind Angsträume meist dunkle, menschenleere Orte. Diese alleine zu durchqueren erfordert jedes Mal aufs Neue Mut. Auch Gegenden, von denen ich nichts Gutes gehört habe (zum Beispiel in den Nachrichten), durchkreuze ich nur sehr ungern alleine. Oft sind es andere Menschen, die Räume zu Angsträumen machen. So habe ich vor nicht allzu langer Zeit gemeinsam mit meiner Schwester meine Cousine zum Zug gebracht. In der U-Bahn am Weg zurück nach Hause (es war circa halb 10 am Abend) ist ein -naja sagen wir mal "komischer"- Typ vis a vis von uns gesessen. Ich habe mich nicht getraut, ihn anzuschauen und habe möglichst unauffällig weggeschaut, weil ich weiß, dass solche Menschen gerne aggressiv und sehr sensibel auf kritische Blicke reagieren. Meine Schwester hat anscheinend einen Blick zu viel gewagt und wurde sofort mit einem Kommentar der Sorte "Was schaust du so" in angriffslustigem Ton "belohnt". Die Heimfahrt, die bis dahin schon nicht ohne war, wurde für mich noch unangenehmer. Ich war schon kurz davor, die Stationen bis zur erlösenden Endstation zu zählen.
Was ich mit dieser Geschichte verdeutlichen möchte: Es hängt meist von meiner Gesellschaft ab, wie wohl oder unwohl ich mich fühle. Dunkle, relativ unheimliche Orte verlieren für mich den Großteil ihres Schreckens, wenn ich Leute an meiner Seite habe, denen ich vertraue. Wenn aber im Gegenteil Menschen anwesend sind, die mir nicht ganz geheuer sind, verschlimmert das die Situation eher. Zusätzlich hängt der "Angstfaktor" davon ab, wie ob ich mich auf die Angst konzentriere oder eher gedankenverloren bin.
Schlechte Erfahrungen im Bezug auf Angsträume und der Ursprung von Angsträumen
Ich bin mir nicht bewusst, jemals wirklich einschneidende Erfahrungen mit Angsträumen gemacht zu haben. Bis auf Vorfälle wie den in der U-Bahn (also eher harmlosen) bin ich bis jetzt glücklicherweise vor Angsträumen größtenteils verschont geblieben. Natürlich habe ich mich in der einen oder anderen Situation gefürchtet und bin die letzten Meter heim gelaufen oder schnell gegangen. Diese Ängste waren jedoch nicht begründet, da keine wirkliche Gefahr drohte und ich mir die Situation nur im Kopf zu phantasievoll ausgemalt habe. Ich schätze, dass man als Mädchen, so klischeehaft das auch klingen mag, schneller in Angsträume gerät, die man sich zum Teil auch selbst geschaffen hat. Das würde ich darauf zurückführen, dass man immer gewarnt wird, gut aufzupassen und sich wahrscheinlich auch wehrloser fühlt. Angsträume können meiner Meinung nach auch von Filmen, den Medien, etc. geprägt werden. Wer hätte schon keine Angst, nachts im Wald alleine zu sein, weil das das ideale Horrorfilmszenario ist? In einer solchen Situation wartet man ja schon fast auf den Mörder mit der Motorsäge.
Ängste festigen sich meines Erachtens nach am stärksten durch persönliche Erfahrungen. Wer sich mit einem Messer in den Finger geschnitten hat, wird (hoffentlich) beim nächsten Mal vorsichtiger sein. Wer schon einmal blöde Kommentare abbekommen hat (siehe oben), wird beim nächsten Mal darauf achten, niemanden (unabsichtlich) anzustarren. Eine der größten Ängste, die wir Menschen haben ist aber meiner Meinung nach die Angst vor dem Ungewissen und vor dem Unbekannten. Wieso hätten sonst so viele Angst vor Tod? (Ein hartes Beispiel, aber wahrscheinlich das beste. Apropos: Auch Friedhöfe sind oft Angsträume!) Wieso gibt es sonst so viel Rassismus? Menschen bekommen Angst, wenn sie an eine Situation denken, bzw. in eine Situation kommen, in der sie sich nicht zurechtfinden, weil sie sie noch nie erlebt haben.
Andere Ängste sind einfach da, ohne jemals schlechte Erfahrungen gemacht zu haben. Manche dieser Ängste sind gerechtfertigt, andere eher irrational. Hierzu würde ich beispielsweise die Angst vorm Dunkeln zählen. Sie ist den meisten angeboren, eine Art Instinkt würde ich sogar behaupten und sie soll uns auch vor gefährlichen Situationen schützen. Auch Höhenangst, unter der ich selbst leide, hat gewisse "nützliche" Aspekte, ist aber nur bis zu einem gewissen Punkt sinnvoll und ist oft eher eine Frage von Veranlagung als von schlechten Erfahrungen.
Angstraum Schule
Die Schule ist für mich alles andere als ein Angstraum. Hier kenne ich viele Mitschüler und Lehrer und ich habe auch fast nur positive Erfahrungen gesammelt. Dadurch, dass ich nun schon 8 Jahre diese Schule besuche, hat sich eine Art Routine eingestellt und ich weiß, woran ich bin und worauf ich mich einstellen muss. Was mir im Bezug auf Bildung aber sehr viel Angst macht, ist die Uni. Ich habe keine Ahnung, was auf mich zukommen wird, ich werde niemanden kennen und auch nicht so recht wissen, wie ich mich in diesem neuen System verhalten soll. Im Vergleich dazu strahlt Schule schon fast Geborgenheit aus. Viele Schüler würden mir in diesem Punkt zwar widersprechen, aber hier kenne ich einfach die Gepflogenheiten. Auch schätze ich den Draht zu meinen Mitschülern und bin mir nicht ganz so sicher, ob es zwischen Studenten genauso ein Gemeinschaftsgefühl gibt, wie zwischen Schülern. Im Großen und Ganzen ist es also wieder das Neue, das mir Angst einflößt.
Die Schule war für mich, soweit ich mich erinnere, nie wirklich ein Angstraum. Trotzdem kann ich aber sehr gut verstehen, wenn sie das für einige Schüler ist. Immerhin ist sie ein Ort, an dem viele Prüfungen stattfinden und an dem die Nerven der jungen Leute oft strapaziert werden. Aber selbst zu stressigen Zeiten, in denen ich sehr unter Schulstress und Druck leide (zum Beispiel bei der VWA-Präsentation), ist die Schule nie wirklich ein Angstraum für mich. Wenn in solchen Situationen jedoch noch Mobbing oder ähnliches hinzukommt, ist es klar, dass der Schüler den Ort, an dem er unbeliebt ist oder viel negatives erfahren hat, lieber meidet.
Menschen, die Angst haben, sich im öffentlichen Raum zu bewegen
Ich will diese Menschen nicht von Haus aus abstempeln oder bewerten, da ich mir sicher bin, dass es sehr unterschiedliche Ausprägungen dieser Angst gibt. Was ich mir jedoch vorstellen kann ist, dass die Betroffenen sehr unter den Einschränkungen leiden, die diese Phobie mit sich bringt. Es muss doch ein ziemlich eintöniges und trauriges Leben sein, dass nur zu Hause und womöglich ohne Gesellschaft verbracht, ja fast schon abgesessen wird. Sind diese Menschen überhaupt fähig, einen Beruf zu erlernen und zu ergreifen? Oder in die Schule, zu Veranstaltungen oder gar in Discos oder Bars zu gehen? Für mich würde so ein Leben wahrscheinlich den reinsten Horror bedeuten. Natürlich gibt es oft genug Tage, an denen man am liebsten zu Hause bleiben würde und sich nicht bereit fühlt, mit anderen zusammenzuarbeiten. Aber längere Zeit ohne Kontakt zur Außenwelt zu leben (im Sinne von nach Draußen gehen), wäre für mich persönlich unvorstellbar. Was macht man in einer solchen Situation? So viele Filme und Serien gibt es gar nicht, dass einem nicht langweilig wird. Und kommt dazu nicht auch noch der Neid auf andere, die ihr Leben ganz normal leben können? Die nicht so eingeschränkt sind, wie man selbst?
Diese Menschen können wahrscheinlich nicht einmal einkaufen gehen, ohne riesige Angst zu haben. Ich selbst bin auch manchmal ein Angsthase, muss ich zugeben, aber so schlimme Angst zu haben, wäre für mich wahrscheinlich unerträglich. Gerade in der Stadt, wo das Leben noch etwas hektischer ist, sind solche Menschen bestimmt besonders gestresst. Mir ist es ziemlich wichtig, etwas unabhängig zu sein und meine Freiheit ab und zu genießen zu können. Mit dieser Phobie wäre das so gut wie unmöglich. Ich kann also sagen, dass mir diese Menschen unendlich leid tun und ich um kein Geld der Welt mit ihnen tauschen würde.
Wie überwindet man die Angst vor Angsträumen? Soll man das überhaupt?
Da ich auf diesem Gebiet alles andere als fachkundig bin, sollte man meinen Rat, beziehungsweise meine Einschätzung, wahrscheinlich nicht als hundertprozentig effektiv annehmen. Ich kann lediglich das "raten", von dem ich mir vorstellen könnte, dass es mir helfen würde.
Zuallererst würde ich versuchen, nicht meinem Instinkt zu folgen und den Angstraum zu vermeiden. Auf lange Sicht gesehen bringt das nämlich nichts. Sinnvoller wäre es, sich seiner Angst zu stellen. Das würde ich jedoch nicht so angehen, mich gleich vollkommen der Angstsituation auszusetzen, sondern ich würde klein anfangen und mich hocharbeiten. Also immer näher an den Ort, der mir Angst bereitet, herantasten. Hier wäre mir auch wichtig, das in meinem eigenen Tempo zu tun und mich nicht unter Druck gesetzt zu fühlen. Irgendwann wäre dann der Moment gekommen, in dem ich mich meiner Angst stellen müsste. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dieser Schritt nach dem ersten "Schock" ein sehr angenehmes Gefühl hervorrufen würde. Auch ich habe mich schon Ängsten gestellt und diese Erfahrungen haben mich bis jetzt nur bereichert. So bin ich beispielsweise trotz Höhenangst schon mehrmals Klettern gewesen und nach dem anfänglichen Knieschlottern war ich eigentlich nur mehr stolz auf mich und auf die Leistung, eine so große Blockade im Kopf ein wenig gelockert zu haben.
Natürlich kann man keine sofortige Heilung erwarten. Das alles brauch Zeit und Geduld. Trotzdem bin ich überzeugt, dass jeder und jede auf jeden Fall versuchen sollte, seine Angsträume zu neutralen oder sogar zu positiven Räumen zu machen. Denn wer kennt nicht das Gefühl, eine Chance nicht ergriffen zu haben? Wer hat sich noch nie darüber geärgert, etwas nicht getan zu haben? Und wäre es nicht unendlich schade, wenn diese Chance, die man nicht ergriffen hat, das Leben selbst wäre? Nur weil man zu viel Angst hatte? Wer will schon gerne seinen Kindern erzählen, er habe sein Leben nie richtig leben können, weil er Angst vor einem bestimmten Ort hatte? Da lohnt es sich doch mehr, sich zu überwinden, über den eigenen Schatten zu springen und den ersten Schritt zu wagen. Denn besser ein kleiner Schritt nach vorne, als stehen zu bleiben oder gar einen nach hinten zu machen.
Beurteilungsraster
Beurteilungskriterium
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Abstufungen
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Persönliche Reflexion
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sehr ausführlich
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ausführlich
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ausreichend
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minimalistisch
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zu wenig
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Analyse Angstraum Schule
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sehr ausführlich
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ausführlich
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ausreichend
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minimalistisch
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zu wenig
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Analyse der psychologischen Komponente
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sehr ausführlich
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ausführlich
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ausreichend
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minimalistisch
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zu wenig
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Persönlicher Kommentar
Ich muss sagen, ich habe diesen Auftrag gewählt, weil man frei von der Leber weg schreiben kann und natürlich weil mich das Thema interessiert. Es war sehr spannend, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und darüber zu reflektieren. Ängste machen einen großen Teil im Leben von vielen Leuten aus und dessen sind wir uns oft gar nicht wirklich bewusst. Ich denke, ich habe sehr viel aus der Arbeitsstellung geholt und alle Fragen sehr ausführlich beantwortet. Auch bin ich darauf eingegangenen, dass es auch oft von den Personen, von denen man umgeben ist, abhängt, wie viel Angst ein Raum auf eine Person ausstrahlt und die Theorien mit persönliche Beispielen verdeutlicht.
Liebe Verena,
AntwortenLöschenDas "frei von der Leber weg" Schreiben ist dir auch dieses Mal wieder sehr gut gelungen! Besonders gut gefällt mir, dass du den Aspekt des Unbekannten und Ungewissen beschreibst. Ich glaube auch, dass das die Wurzel von sehr vielen Ängsten ist und der Tod ist dafür wirklich das beste Beispiel, das soll man gar nicht aussparen! Auch auf die psychologische Perspektive bist du super eingegangen, ein rund um gut gelungener Arbeitsauftrag!